Text, Fotos und Video: Lena Reiner
„Rufen Sie mich an, wenn Sie da sind. Vom Ortsverein ist zur Zeit niemand da, die Tür unten ist zu“, beendet Reinhard Breh das telefonische Vorgespräch zum Termin in der Friedrichshafener Rettungswache des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Aktuell herrscht auch hier Ausnahmezustand wegen des Coronavirus. Der Parkplatz des Ortsvereins ist dementsprechend ungewöhnlich leer. Breh grüßt freundlich, als er die Tür öffnet, deutet – Abstand haltend – ins Treppenhaus: „Wir sind ganz oben.“
Herausforderung: Gefahr im Blick behalten
Im Büro angekommen räumt er kurzerhand seinen Schreibtischplatz frei, stellt zwei Stühle zwischen Übungspuppe mit Schutzkleidung und Tür: „So können wir Abstand halten.“ Stefan Martin, der stellvertretende Hygienekoordinator, kommt herein, streckt eine halbe Sekunde lang die Hand zur Begrüßung aus, zieht sie schnell wieder lachend zurück und sagt: „Das sollen wir ja gerade nicht tun.“ Schon ist das Gespräch mittendrin im Thema dieser Tage: Hygienemaßnahmen, Infektionsschutz vor dem kursierenden Coronavirus. „Es ist schwer, dass das in die Köpfe geht“, kommentiert Breh. Das merkten sie auch an sich selbst. Man müsse sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass da eine Gefahr bestehe, auch wenn man sie nicht sehen könne. „Gegen diese ganzen großen Virologen sind wir zwar Laien“, meint Breh, „aber, was wir so mitbekommen haben, ist das Ding hochansteckend und besonders gefährlich, weil man’s haben kann, ohne es zu wissen.“
Es sei schwierig, sich die Ausnahmesituation im Bewusstsein zu halten, gerade jetzt, da es so wirke, als sei die Gefahr bereits vorüber und besonders im Bodenseekreis mit insgesamt gerade einmal 290 nachweislich Infizierten. „Auch wenn man natürlich von einer hohen Dunkelziffer ausgehen muss“, wirft Martin ein.
Was wir halt machen, sobald der Fieber hat, läuft er als Covid-Patient. Ab 37,7° Fieber – das ist der Wert, den Friedrichshafen da hat. Es gibt Kliniken, die sagen ab 38. Friedrichshafen ist da ein bisschen vorsichtiger. Ich bin noch aktiv im Fahrdienst. Ich versuche dann auch, selbst wenn es nicht so die große Symptomatik gibt, mich mit Atemschutzmaske auszustatten. Möchte ja vermeiden, in Quarantäne zu kommen.
Im Rettungswagen trägt die Besatzung üblicherweise derzeit eine einfache OP-Maske sowie eine einfache Schutzbrille und ein Paar Handschuhe. Bei Covid-Verdacht wird „aufgestockt“. Prophylaktisch Schutzkleidung tragen die Sanitäter nicht, da bei einem Notfall jede Minute zählt.
„Auch wir hatten den ein oder anderen in Quarantäne“, schildert Breh, weil Kontakt ohne Schutzkleidung zu jemandem bestanden habe, der später im Krankenhaus positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden sei. „Diese Viertelstunde, manchmal auch nur zehn Minuten zu engen Kontakt zum Patienten, den könnte man verhindern“, betont er. Er habe versucht, alle Sanitäter*innen dahingehend zu schulen, ihre übliche Routine abzuändern. „Ich sag immer: Eigentlich muss das Fieberthermometer jetzt nicht mehr im Rucksack sein, sondern in der Hosentasche“, erklärt er, „und dann steckt man es dem Patienten als Erstes ins Ohr.“ Fieber sei ein Hinweis darauf, dass eine Covid-19-Erkrankung vorliegen könne. „Wenn ich es feststelle, kann ich mich selbst schützen und mache zuerst einen Schritt zurück“, erklärt er. Diese Erstkontrolle, also das Temperaturmessen, koste keine 15 Sekunden und erspare im Ernstfall zwei Wochen Dienstausfall durch Quarantäne.
Je nach Qualifikation könne das dann zum Problem werden: „Im Notfallsanitäterbereich wird’s schon eng, wenn fünf ausfallen.“
Wir hatten nur so eine halbe Woche, in der wir mit der Schutzkleidung im ein oder anderen Bereich ein bisschen dünn waren.
Man merkt, dass die Menschen toleranter gegenüber den Masken geworden sind, seit man sie überall in der Medienberichterstattung sieht: Wir hatten zwei Covid-Verdachts-Patienten, die richtig Schleim ausgeworfen haben. Da bin ich dann schon froh, wenn das in die Maske geht, die ich ja auf der Fahrt auch drei-, viermal wechseln kann. Man weiß ja, dass das über Tröpfchen übertragen wird. Da ist es besser, die husten in die Maske. Ich muss das nicht überall im Wagen haben, auch wenn der natürlich danach desinfiziert wird.
Selbst Schutzkleidung, die deutschlandweit knapp war, sei bei ihnen ausreichend vorhanden gewesen: „Wir hatten nur so eine halbe Woche, in der wir mit der Schutzkleidung im ein oder anderen Bereich ein bisschen dünn waren.“ Bereits Anfang Januar hätten Stefan Martin und er sich nämlich auf die kommende Ausnahmesituation eingestellt. „Da dachten noch alle: China ist ja weit weg“, erinnert sich Martin. Dabei, ergänzt er schulterzuckend, sei das mit dem „weit weg“ ja inzwischen relativ: „Flugzeuge machen’s möglich.“ Als ersten Schritt hätten sie im Januar die Lagerkapazitäten hochgefahren, mehr Schutzkleidung gekauft und eingelagert, „alles safe“ gemacht, dann Handbücher und Empfehlungen für die Mitarbeiter zusammengestellt. „Ich weiß noch, dass wir Mitte Januar ein Qualitätsmanagement-Audit hatten“, erinnert sich Breh und lacht, „und unser Auditor war schon sehr verwundert, dass schon alles steht.“ Letztlich seien sie nun froh, dass sie so früh schon alles parat gehabt hätten, auch, wenn Breh anmerkt: „Im Nachhinein würde ich sagen, wir hätten die Lagerkapazität nochmal mehr hochfahren sollen. Aber das konnte ja keiner ahnen.“
Weil Schutzkleidung in diesen Tagen eine besondere Rolle spielt, erklären Breh und Martin, welche zusätzliche Herausforderung diese darstellt. Besonders das Ablegen der Schutzkleidung will dabei gelernt sein, damit die Sanitäter*innen nicht beim Ausziehen in Kontakt mit den kontaminierten Oberflächen der Schutzkleidung kommen. Während Martin und Breh erklären, macht Lucy Hartle vom DRK vor, wie die richtige Handhabung ausschaut. Dabei ist dieses kleine Erklärungsvideo entstanden: