Ukraine im Krieg: Was für die Wiedereingliederung der besetzten Gebiete notwendig ist
Der Krieg in der Ukraine ist noch lange nicht vorbei. Doch um die besetzten Gebiete wieder einzugliedern, müssen jetzt die ersten Schritte eingeleitet werden. Die deutsche Geschichte lehrt dazu wichtige Punkte.

Text und Fotos: Natalie Gryvnyak

Verbunden und doch getrennt: Evgeniy und Wladimir, 33 und 36 Jahre alte Brüder, stammen beide aus der Region Lugansk und haben vieles gemeinsam. Beide studierten an der örtlichen Universität. Beide unterstützten die ukrainischen Armee als Freiwillige. Sie kauften Munition in der heißen Phase des Krieges zwischen der Ukraine und den Separatisten in den östlichen Regionen der Ukraine, die von Russland unterstützt wurden.

Beide haben immer noch die Hoffnung, dass die unkontrollierten Gebiete Donbass und Krim wieder zu faktischen ukrainischen Gebieten werden. Seit Ausbruch des Krieges im Jahr 2014 werden sie von der Volksrepublik Donezk (VRD) und der Volksrepublik Lugansk (VRL) oder ORDLO kontrolliert.

Entgegengesetzte Seiten

Heute leben sie jedoch auf den entgegengesetzten Seiten der neuen Grenzen. Der ältere Bruder Wladimir hat bis 2017 in Kiew gelebte, bevor er nach Zypern zog.

Evgeniy lebt im Dorf Dmitriyvka in der Region Donezk, einem der Orte der heftigsten Gefechte in den Jahren 2014 und 2015. „Zu Beginn des Krieges zog ich in die Ukraine, aber es war wirtschaftlich schwierig. Weder hatte ich eine Langzeitunterkunft noch eine Arbeit; das Leben war hart. Deswegen bin ich aus Hoffnungslosigkeit zurückgekehrt“, sagt Evgeniy. Er fand Arbeit als Kleinunternehmer, der 20 Hektar Land bewirtschaftet, wo er Gemüse anbaut, um seine Familie zu unterstützen. „Wenn sich etwas ändern würde, würden wir (meine Familie) mit großer Freude in die Ukraine zurückkehren. Aber der Hauptpunkt ist, dass es auf sicherem Wege passieren müsste“, fügt er hinzu.

Ein komplexes Thema

Die Wiedereingliederung und Wiedervereinigung der ukrainischen Gebiete ist ein komplexes und vielschichtiges Thema. Es basiert auf vielen Faktoren mit verschiedenen möglichen Szenarien in der Zukunft. Seit sieben Jahren ist im Krieg zwischen den Regierungstruppen und den von Russland unterstützten Separatisten weder Ende in Sicht, noch gibt es neue Entwicklungen bezüglich der besetzten und annektierten Gebiete. Es gab mehrere Gefangenenaustausche und mehrere Initiativen, die sowohl auf bildungspolitischer als auch auf sozialer Ebene umgesetzt wurden, um die Spannungen zu verringern. Gleichzeitig wurden in den Beziehungen zum Donbass und zur Krim keine ernsthaften Schritte oder eine einheitliche und gut diskutierte Strategie gebildet.

Dennoch ist eine solche Strategie entscheidend für den Erfolg des langfristigen Prozesses, mit dem die Ukraine im Hinblick auf die Wiedervereinigung konfrontiert ist, und damit eine stabile, starke und geeinte Ukraine, ein Außenposten Europas. Die Europäische Union braucht ein erfolgreiches europäisches Land an ihren Grenzen. Wahrscheinlich wird dieser Prozess Jahre dauern und beinhaltet zuerst das Ende des Krieges. Weitere wichtige Aspekte sind das Vertrauen der Bevölkerung in die besetzten Gebiete in die ukrainische Regierung und die Rückgabe der Gebiete. Obwohl ein Ende des Krieges trotz mehrerer Versuche, einen Waffenstillstand, einen Dialog und eine Annäherung durch das Minsker Protokoll umzusetzen, nicht absehbar ist, sollten jetzt erste Schritte mit klaren strategischen Perspektiven unternommen werden. Sonst wird sich die Situation nur verschlimmern, und die Zeit wird verschwendet sein.

Positive Signale

Eines der positiven Signale in diesem Bereich ist, dass die ukrainische Zivilgesellschaft sehr offen für das Thema ist und sich aktiv an den Diskussionen und der Kontrolle über Minsker Vereinbarungen und den Wiedereingliederungsvorschlägen beteiligt. Die Regierung hat das aufgegriffen und hat selbst ihre Positionen zur Wiedereingliederung gestärkt. Ein Beispiel ist die Ausweitung der Aufgaben der Vertretung des Präsidenten der Ukraine auf der Krim. Infolge der Empfehlungen zu Wiedereingliederungsfragen, die das Menschenrechtszentrum „Zmina“ veröffentlicht hatte, hat die Regierung das Ministerium für Wiedereingliederung der vorübergehend besetzten Gebiete geschaffen – wie es in der Veranstaltung „Reanimation Package of Reforms Coalition“ am 5. Juni 2020 vereinbart wurde.

Einige Fortschritte werden auch von Aktivist:innen gesehen, die in unkontrollierten und kriegsgeschüttelten Gebieten des Donbass arbeiten. „Es gibt einige positive Tendenzen und Initiativen: Zwischen der Ukraine und ORDLO wurden zwei neue Grenzübergänge errichtet, die aber aufgrund der selbsternannten Regierung der unkontrollierten Gebiete noch immer nicht funktionieren. Für die Familien, die ihr Zuhause verloren haben, stehen 20 Millionen UAH (573.000 Euro) im Haushalt 2021. Das gilt zwar nur für die von der Ukraine kontrollierten Gebiete, dennoch ist es ein kleiner Schritt. In einer erfolgreichen Initiativen durften Jugendliche aus nicht kontrollierten Gebieten auch ohne akzeptierte Abiturzeugnisse und sogar ohne nationale Aufnahmetests ukrainische Universitäten betreten“, sagt Evgeniy Kaplin, Leiter der humanitären NGO „Proliska“, die solche Initiativen als entscheidend für eine erfolgreiche Wiedereingliederung von Menschen in ORDLO-Gebieten beschreibt; wenn sie ausgeweitet werden. „Diese Kinder haben ukrainische Universitäten anstelle russischer und solche in unkontrollierten Gebieten gewählt, und ich denke, 90 Prozent von ihnen werden danach in der Ukraine bleiben.“

Ein Marathon über eine lange Zeit

Auch wenn einige Schritte gemacht wurden, reichen sie doch noch nicht aus: „In all den Jahren haben wir gesagt ‚Krim ist Ukraine‘, ‚Donbass ist Ukraine‘ und das sind sehr richtige Slogans, aber sie werden kaum durch echte Aktionen untermauert“, sagt Oleksandra Matviychuk, Vorsitzende des Vorstands des Zentrums für bürgerliche Freiheiten (Center for Civil Liberties) und fügt hinzu: „Es ist ein Marathon über eine lange Zeit und dafür ist es wichtig, radikale Wirtschafts- und Rechtsreformen umzusetzen.“ Darüber hinaus liegt das Hauptproblem für jeden Erfolg einer vereinten Ukraine darin, dass der Krieg auch während des so genannten „Waffenstillstands“ weitergeht. Täglich werden Menschen verwundet und getötet, und die Minsker Vereinbarungen haben keinen wirksamen Einfluss.

Es wird äußerst schwierig sein, irgendetwas Bedeutendes zu tun, bis die russische Regierung die militärische und informelle Unterstützung für die ORDLO-Gruppen einstellen und ihre Armee und Waffen aus diesen Gebieten heraushalten wird. Dasselbe gilt für die territoriale Gerichtsbarkeit über die Krim. Die andere Option ist die militärische Lösung, um mit der Wiedereingliederung der Territorien zu beginnen:

 Zuerst muss der Krieg beendet werden. Es gibt zwei Schlachten. Einen der Territorien und einen um die Gedanken der Menschen. Ohne den Willen Russlands, der von der internationalen Gemeinschaft oder durch militärische Aktionen erzwungen wird, sehe ich keine Perspektive, dass diese Gebiete ukrainisch werden. In den besetzten Gebieten des Donbass ist Russland ein wichtiger Akteur, der die Rubel-Währungszone eingeführt hat, und diese Gebiete mit Gas, Öl, Geld und Waffen versorgt. Aber wenn wir über den Kampf um die Köpfe der Menschen und ihre sichere Wiedereingliederung in die ukrainische Gemeinschaft sprechen, dann können wir jetzt mit wirtschaftlichen Perspektiven beginnen, sodass die Menschen in die Ukraine zurückkehren und dort bleiben wollen.

Evgeniy Kaplin

Proliska

Kleine Einkommen sind die größten Probleme

Wie der Selbständige Evgeniy aus Dmitriyvka gibt es viele Menschen in den besetzten Gebieten, die die Ukraine unterstützen, aber wirtschaftlich von der Region abhängig sind. Es gibt auch andere, die eine Zugehörigkeit zu Russland und den nicht anerkannten ORDLO-Formationen unterstützen. Manchmal willig, manchmal aus Angst oder wirtschaftlich abhängig wie Evgeniy. „Einer der Hauptfaktoren hier ist der wirtschaftliche. Es ist die Unterkunft. Von einer großen Welle von Binnenvertriebenen, die 2014 und 2015 in die Ukraine gezogen sind, sind viele zurückgekehrt“, betont Evgeniy Kaplin von der humanitären Mission. „Die eine Million Menschen, die in der Ukraine geblieben sind, hatten zumindest etwas Geld, um von vorn anzufangen; weniger wohlhabende Menschen mussten zurück, und jetzt besitzen 80 Prozent der ORDLO-Bevölkerung ein geringes Einkommen.“

Die Probleme und was getan werden kann

  • Wirtschaftlich

Mehr als 3,5 Millionen Menschen leben in unkontrollierten Gebieten des Donbass und 2,5 Millionen auf der Krim. Die meisten haben nicht die Mittel, um ohne Unterkunft oder Arbeitsmöglichkeiten in die Ukraine zu ziehen. Vor allem die vielen Rentner, die ihre Erlaubnis erneuern müssen, um die Checkpoints zu überqueren. Das ist notwendig, weil sie ihre Renten nur in Gebieten abheben können, die von Regierungstruppen kontrolliert werden. Aufgrund intensiver Kontrollen und langer Wartezeiten an den Banken kann eine solche Reise bis zu einem ganzen Tag dauern.

Evgeniy Kaplin mit Mariya Garpinich.
Evgeniy Kaplin mit Mariya Garpinich.

Da die Renten in der Ukraine mit durchschnittlich 1769 UAH (51 Euro) sehr niedrig sind, sind einige gezwungen, russische Pässe zu beantragen, um eine zusätzliche Rente aus den besetzten Gebieten zu erhalten. Viele können es sich nicht leisten, eine Unterkunft in der Ukraine zu mieten. Eine der vorgeschlagenen Lösungen sieht Wohnungsbaukredite vor. Experten behaupten, dass viele selbst mit reduzierten Prozenten diese nicht ohne Startkapital nutzen könnten. „Bankkredite könnten von jenen Menschen, die etwas Startkapital haben genommen werden. Wer das nicht hat, kann sie auch nicht nehmen“, sagt Evgeniy Kaplin.

Evgeniy Kaplin hilft den Menschen im Dorf Muratov in der Region Lugansk nach Bränden im Oktober 2020.
  • Politisch

Wenn es um den Wiedereingliederungsprozess der unkontrollierten Gebiete geht, gibt es immer noch viele Probleme mit der effektiven Koordinierung zwischen den verschiedenen Strukturen der ukrainischen Regierung. Darüber hinaus fehlt es an einer einheitlichen und starken Position innerhalb der ukrainischen Politik in Bezug auf die Minsker Vereinbarungen oder anderen Alternativen. Dies führt dazu, dass es keinen klaren, einheitlichen Plan und keine Strategie für die Wiedereingliederung der verlorenen Gebiete gibt. „Es ist wichtig, radikale wirtschaftliche und rechtliche Reformen in dem von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiet durchzuführen. Wir müssen effektive demokratische Institutionen aufbauen, die unabhängig von politischem Einfluss sind“, meint Oleksandra Matviychuk. Dennoch gibt es einige Fortschritte und Erfolge wie die Schaffung des Ministeriums für Wiedereingliederung der besetzten Gebiete.

  • Erweiterter Prozess

Die Europäische Union ist ein entscheidender Verbündeter der Ukraine für den internationalen Druck auf die Separatisten und ihre Unterstützer und ihre Wirtschaftshilfen. Bei der Entwicklung einer erfolgreichen Wiedereingliederungspolitik kann die Ukraine die Erfahrungen anderer europäischer Länder nutzen: insbesondere Deutschlands. Das Land hat die Ukraine in der Vergangenheit nicht nur finanziell und politisch unterstützt. Darüber hinaus teilt es einige Ähnlichkeiten mit der Teilung des Volkes. „Die Wiedereingliederung darf der Ukraine nicht schaden, sie sollte sie nur verstärken“, sagt Stefan Melle, Geschäftsführer der deutschen NGO Deutsch-Russischer Austausch (DRA), prominenter Experte und Journalist mit Schwerpunkt auf osteuropäischen Themen. Er wurde in Ostdeutschland geboren, seine Familie wurde ebenfalls zwischen West und Ost geteilt. Seine Meinungen zur Wiedereingliederung basieren auf persönlichen Erfahrungen:

Meine Familie war gemischt, aber es war gut, Perspektiven zu teilen. Es ist sehr wichtig, diesen Kommunikationskanal zu bewahren, er wird eine gute Grundlage für die Zukunft bilden.
Stefan Melle

Deutsch-russischer Austausch

Melle ist überzeugt, dass die Ukraine von den Erfahrungen Deutschlands nach der Wiedervereinigung 1989 profitieren kann. Ein Beispiel, das er nennt, sind Universitätsstudent:innen, die zu Meinungsträger:innen und Kommunikationsverbindungen in besetzte Gebiete werden könnten.

„Manche Ereignisse können schnell passieren – wie der Fall der Berliner Mauer. Aber das bedeutet nicht, dass der Prozess damit aufhört. Seit 30 Jahren kämpfen wir für gegenseitiges Verständnis. Anfangs, in den 90er Jahren, war es problematisch, aber es wird besser“, sagt Melle.

Stefan Melle verweist auf mehrere Ratschläge, die als Erfahrungswerte für die Ukraine dienen können:

Unabhängige Beratungen
Die Regierungen sollten die Öffentlichkeit, NGOs und Medienberater:innen einbeziehen und ihre Meinungen berücksichtigen. Solche Berater:innen sollten unabhängig sein.
Brücken bauen
Es sollte eine Kommunikation zwischen den Menschen in der Ukraine geben, einschließlich Kommunikationsbrücken mit den Menschen, die in den besetzten Gebieten leben.
Es ist auch wichtig, die bereits vorhandenen Kontakte zu speichern.
Territoriale Integrität
Die Ukraine muss zuerst ihre Territorien zurückerhalten, um ihre territoriale Integrität wiederherzustellen. Doch die Entfremdung ist groß und kann noch lange andauern.
Gemeinsame Geschichte
Es ist wichtig, eine gemeinsame Geschichte zu haben, damit gemeinsame Zukunft ist möglich. Deutschland hat dies betont, und es war erfolgreich.
Offene Diskussionen
Die Diskussion darüber, was während des Konflikts geschehen ist, sollte sehr offen sein. Wir müssen verstehen, dass es dort Menschen gibt, die sich in eine andere Richtung bewegt haben, und wir müssen offen sein und ihre Ängste verstehen.
Übergangsjustiz
Die Übergangsjustiz sollte sehr präzise kommuniziert sein, um sicherzustellen, dass die Menschen verstehen, wer wegen Verbrechen vor Gericht gestellt wird und wer unter Amnestie fällt.
Sozialzahlungen
Es sollte eine angemessene Kommunikation und Diskussion über Sozialleistungen geben.
Erfolge notwendig
Wir müssen eine erfolgreiche Wirtschaft in der Ukraine schaffen, kulturell und pädagogisch – damit die Menschen dorthin kommen wollen. Besonders nahe der roten Linie.
Internationale Gemeinschaft
Die internationale Gemeinschaft sollte die Ukraine weiterhin unterstützen, um an der Position festzuhalten, dass Russland die Krim unter Verstoß gegen internationales Recht annektiert hat.
Akzeptieren von Unterschieden
Seit sieben Jahren leben die Menschen in den besetzten Gebieten in einer anderen Realität, mit eingeschränkter Redefreiheit, unter dem Einfluss der russischen Propaganda. Es gibt unterschiedliche Mentalitäten, unterschiedliche Interpretationen der Geschichte, Stereotype und Ängste, die zu ernsthaften Hindernissen für die Schaffung einer einheitlichen ukrainischen Identität werden können. Es könnte nützlich sein, Unterschiede nicht zu beseitigen, sondern sie zu akzeptieren, mit dem Verständnis, dass es möglich ist, in einer Gesellschaft mit Unterschieden zu leben. Die ukrainische Gesellschaft kann eine ausgewogene Wiedereingliederungspolitik entwickeln, bei der die nationale ukrainische Identität „Ich bin Ukrainisch“ die regionale Identität „Ich bin aus dem Donbass“ nicht ausschließen wird.
Sorgfältige Formulierungen
Die Verantwortlichen sollten bei der Auswahl von Botschafter:innen und Rednern vorsichtig und ausgewogen vorgehen und ihre Worte vorsichtig wahlen, wenn sie mit und über die Menschen sprechen, die in den besetzten Gebieten leben.
An einem Tisch
Die Kommunikation an einem Tisch zwischen unabhängigen Organisationen der Zivilgesellschaft aus der Ukraine und Russland kann hilfreich sein und den Dialog über den Donbass verstärken.
  • Sozial

Ein weiterer wichtiger sozialer Faktor ist der demografische Wandel. Wladimir, der Bruder, der heute auf Zypern lebt, zieht eine Parallele zum Beispiel Nordzyperns. Dieser Teil der östlichen Mittelmeerinsel wurde vor 50 Jahren von der Türkei annektiert: „Die Türkei verändert ihre Bevölkerung, es ist das gleiche Problem wie Russland auf der Krim. Immer weniger Menschen fühlen sich mit Zypern verbunden. Es geschieht weniger in der Ostukraine, aufgrund der Kosten und geringerer Möglichkeiten. Die Menschen verlieren die Beziehungen zur Ukraine.“

Dieses Thema ist ein wichtiges Thema, das auf internationaler Ebene angesprochen werden muss, stimmt Stefan Melle zu: „Dies ist ein Verbrechen in den Beziehungen zur Ukraine und zu den Menschen, die gezwungen waren, aus diesen Gebieten zu ziehen. Die internationale Gemeinschaft sollte die Ukraine weiterhin unterstützen und an der Position festhalten, dass Russland die Krim illegal annektiert und den Donbass durch die selbsternannten ‚Republiken‘ besetzt hat.“

  • Rechtlich

Im Moment hat die ukrainische Regierung das von Menschenrechtsaktivist:innen entwickelte Gesetz 2689 nicht verabschiedet. Mit dem Entwurf beabsichtigen sie, die nationalen Rechtsvorschriften mit dem internationalen Strafrecht und dem humanitären Völkerrecht in Einklang zu bringen. „Bisher ist die Ukraine nicht verantwortlich für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen sind in einer Weise geschrieben, dass es einfach unmöglich ist, sie in der Praxis anzuwenden. Wir haben nur zwei Verurteilungen wegen Kriegsverbrechen. Und das ist ein direkter Weg zur Straflosigkeit“, sagt Oleksandra Matviychuk vom Vorstand des Zentrums für bürgerliche Freiheiten.

Die Menschen in den besetzten Gebieten müssen der Ukraine vertrauen und Rechtssicherheit erhalten. Wer unterliegt Amnestierechten, wer wird nicht angeklagt und wer wird verurteilt? „Ich kenne viele Fälle, in denen zum Beispiel ein gewöhnlicher Mitarbeiter einer Tankstelle aus irgendeinem Grund nach der Besetzung davon überzeugt ist, dass er ins Gefängnis kommt, weil er in einer Tankstelle arbeitet, die illegal bewaffnete Gruppen vom rechtmäßigen Eigentümer übernommen haben. Solche Menschen müssen rechtliche Garantien erhalten, um Russland die Möglichkeit zu nehmen, ihre Ängste zu institutionalisieren“, fährt Matviychuk fort. Dasselbe gilt für Beamte wie Lehrer:innen oder Ärzt:innen. Laut Evgeniy Kaplin sind viele gezwungen, in NGOs einzutreten, die wie „Mir Luganshiny“ von der ukrainischen Regierung als Terrorgruppen eingestuft werden. Dies bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass sie sie unterstützen. „Ich kenne persönlich mehrere Lehrer:innen, die im besetzten Gorlowka ukrainisch unterrichten, die gezwungen wurden, Mitglieder der NGO zu werden – und dann beim Grenzübertritt verhaftet wurden, um ihre Renten abzuholen“, fügt Yevgeniy Kaplin hinzu. Eine Wiedereingliederung kann es nicht ohne Einstellung der Verfahren gegen solche Personen geben.

Ein weiteres wichtiges Thema, das aufzusteigen ist, sind die Menschen, die in den nicht kontrollierten Gebieten gefangen gehalten und eingesperrt werden. In seinem kürzlich erschienenen Buch enthüllt Stanislav Aseev, ehemaliger Häftling der berüchtigten „Izoliatsiia“ (Isolation)-Anlage, einer ehemaligen Donezker Fabrik, in der Isolierung hergestellt wurde, dass dort nicht nur ukrainische Soldaten oder Bürger inhaftiert sind, sondern auch diejenigen, die in besetzten Gebieten leben, die bereits russische oder VRD/VRL-Pässe erhalten haben, und sogar diejenigen, die aus ihren eigenen militärischen Formationen stammen. „Diejenigen, die Bürger von VRD sind, werden noch härter bestraft als diejenigen, die für einen möglichen Austausch gefangen genommen werden. Sie brechen sie buchstäblich. Sie bleiben sicher oft geistig und körperlich invalide“, sagte Aseev in einem der Interviews.

Die Menschen dort sind gefangen in einem Zustand der Angst mit minimaler Freiheit an Rechten. Daher ist es wichtig, ihnen eine Alternative zu bieten. „Neben der vom Krieg zerrütteten Infrastruktur, Routine, familiären Bindungen und so weiter müssen die Menschen ihren Glauben an das Gesetz wieder aufbauen“, bilanziert Matviychuk. Sie wirft mehrere weitere Fragen auf, die erwähnt werden müssen: „In all den Jahren hat der Kreml versucht, das Schicksal illegal inhaftierter Menschen zu nutzen, um die Ukraine zu erpressen, um politische Zugeständnisse zu erhalten. Wir müssen strategische Veränderungen vornehmen, wie den Zugang des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, die Schließung des Geheimgefängnisses „Isolation“, die Einstellung von Folter und Misshandlung von Menschen.“

Oleksandra Matviychuk, Leiterin des Vorstands des „Zentrums für bürgerliche Freiheiten“
  • Kommunikation

Das größte Problem für die Menschen, die durch die entmilitarisierte Zone getrennt wurden, ist, dass geeignete Kommunikationskanäle fehlen – in Kombination mit massiver Propaganda. Vladimir versucht, seiner Mutter einen Zugang zu digitalen Medien zu verschaffen, um sie über die Nachrichten zu informieren. Aber viele finden keine anderen Medien als die von Russland kontrollierten: „Uns fehlen wahrheitsgemäße Informationen über die besetzten Gebiete. Auch in der Ukraine gibt es verdrehte Informationen und sie schaffen ein massives Problem. Russland hat ein ideologisches System, das die Köpfe der Menschen in den unkontrollierten Gebieten infiltriert.“
Tatsächlich ist das Vertrauen in die russischen Medien hoch, da der ukrainische Standpunkt nicht angemessen vertreten ist. Die ukrainischen Journalist:innen und die ukrainische Regierung sollten also bereit sein, auf Propaganda mit Fakten und konsequent auf missbrauchte Informationen zu antworten. Dann müssen die Menschen in der Lage sein, sie online zu erhalten, bei ihrer Ankunft in der Ukraine oder über ihre Verwandten und Freund:innen.

Darüber hinaus sollten weitere Schritte zur Übertragung ukrainischer Kanäle und zur Verbreitung ukrainischer Informationen im Internet ergriffen werden. Gute Vorschläge gab die Internationale Medienakademie in Berlin während des Kurses, wie man die Welt der Besatzung zerstören und die historische Gerechtigkeit wiederherstellen kann. Im Speziellen: „Wie die Erfahrungen Deutschlands zeigen, verliert nie die Hoffnung auf die Wiedervereinigung. In dem wiedervereinigten Land müssen die Menschen bereit sein, sich auf Augenhöhe zu treffen; Massenmedien müssen den Menschen unterschiedliche Standpunkte vermitteln.“

Die Menschen in den besetzten Gebieten haben auch Rechte, und die Ukrainer:innen sollten aufgeschlossen sein, sie zu hören und einen Dialog aufzunehmen. In den besetzten Gebieten können die Menschen unterschiedliche Meinungen haben. Und all diese Meinungen sollten berücksichtigt werden. Die Diskussionen darüber, was während des Konflikts geschehen ist, sollten sehr offen sein, da Menschen auf verschiedenen Seiten die Geschehnisse auf unterschiedliche Weise erleben können. Es muss verstanden werden, dass es Menschen gibt, die in den besetzten Gebieten leben und sich in eine andere Richtung bewegt haben. Die Menschen, die in von der Regierung kontrollierten Gebieten leben, müssen mitfühlen und ihre Ängste verstehen.

Auf Regierungsebene muss kommuniziert werden, dass diese Menschen von der Ukraine gebraucht werden und ihr angehören. „Menschen, die jetzt in den besetzten Gebieten des Donbass leben, sollten das gleiche Recht haben wie andere Bürger:innen der Ukraine. Wir wissen, dass es jetzt Einschränkungen gibt, aber nicht diskriminierende politische Strategien sind erforderlich, ebenso wie die Offenheit gegenüber den Menschen. Es sollte eine Kommunikation zwischen den Menschen in der Ukraine geben, einschließlich Kommunikationsbrücken mit den Menschen, die in dem besetzten Gebiet leben. Es ist auch wichtig, die bereits vorhandenen Kontakte zu bewahren. Darüber hinaus ist es wichtig, gemeinsame Geschichte und eine mögliche gemeinsame Zukunft zu kommunizieren“, schlägt Stefan Melle vor. „Deutschland hat das betont, und es war insgesamt erfolgreich.“


Der Minister für die Wiedereingliederung der besetzten Gebiete, Oleksiy Reznikov, unterstützt die ordnungsgemäße Aufnahme eines Dialogs: „Ukrainer:innen, die Gefangene des Besatzungsregimes sind, fürchten uns. Und wir fürchten sie. Wir müssten einen schwierigen Weg des nationalen Dialogs gehen, um das Vertrauen wiederherzustellen.“ Er plant, dass die sichere Wiedereingliederung 25 Jahre dauern wird.

Dieser Artikel wurde mit Unterstützung der Internationalen Medienakademie (Berlin) erstellt.